Wer kennt ihn nicht, den Witz über Faxgeräte in deutschen Unternehmen. Man liest und hört es immer wieder: Der deutsche Mittelstand tut sich schwer mit der Digitalisierung. Aber die Pandemie hat gezeigt, dass die Digitalisierung in Unternehmen kein Mammutprojekt sein muss. Schon kleine Veränderungen – wie die Einführung von virtuellen Meetings und Arbeitsplätzen – können große, nachhaltige Wirkung entfalten und relativ schnell umgesetzt werden. Solche leicht realisierbaren Schritte nenn man „Quick Wins“ und genau solche Ideen wollen wir dir hier vorstellen.
Sollte sich dein Unternehmen also auch schwer tun mit der Erarbeitung und Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen, findest du in diesem Artikel ein paar Denkanstöße für den Einstieg. Sie sind ein idealer Startpunkt für KMU.
Kleine Schritte in der Digitalisierung: Was sind Quick Wins?
Ein Quick Win ist eine Maßnahme mit vergleichsweise geringem Aufwand, die schnell umsetzbar ist und sichtbare, positive Effekte erzielt. Dabei handelt es sich oft um kleinere Veränderungen oder gezielte Verbesserungen in bestehenden Prozessen, Tools oder Arbeitsweisen.
Diese kleinen Digitalisierungsmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit überschaubaren Ressourcen realisiert werden können und dennoch Wirkung zeigen, etwa durch mehr Effizienz, bessere Zusammenarbeit oder schnelleren Kundenservice. Auch Teilziele, frühe Meilensteine oder Etappenerfolge in größeren Digitalisierungsprojekten gelten als Quick Wins, wenn sie spürbaren Nutzen bringen.
„Digitalisierung light“ – Gefahr oder Chance?
Quick Wins gelten als hilfreicher Einstieg in die Digitalisierung in Unternehmen. Gleichzeitig gibt es Kritiker, die sie als oberflächlich, strategielos oder nur kurzfristig wirksam erachten. Was stimmt und worauf kommt es wirklich an?
Die folgende Gegenüberstellung zeigt typische Einwände und wie man die Digitalisierung in Unternehmen sinnvoll und wirksam mit Quick Wins vorantreiben kann.
Kontra Quick Wins
Pro Quick Wins
Kleine Maßnahmen sind kein Ersatz für eine Strategie, können aber ein sinnvoller Einstieg in die Digitalisierung in Unternehmen sein.
Wichtig ist, sie bewusst im Kontext der eigenen Ziele und Werte zu prüfen. Nicht jede Maßnahme passt zu jedem Unternehmen oder Zeitpunkt. Manchmal braucht es ergänzende oder langfristiger gedachte Ansätze, um nachhaltige Wirkung zu erzielen. Doch oft können Quick Wins den entscheidenden ersten Schritt darstellen, um erste Prozessverbesserungen zu erreichen und Digitalisierung weiterzudenken.
Vision ohne Ausführung ist Halluzination.
Peter Drucker
Digitalisierung in Unternehmen vorantreiben – 4 Ideen als Inspiration
1. Digitale Produkte entwickeln und anbieten
Digitalisierung ist nicht nur ein Werkzeug, um interne Abläufe zu optimieren oder effizienter zu arbeiten, sondern sie eröffnet auch neue Einnahmequellen. Zum Beispiel in Form von digitalen Produkten. Das sind immaterielle Güter, die in Form von Dateien oder digitalen Dienstleistungen bereitgestellt und online verkauft werden. Dazu gehören unter anderem Onlinekurse, E-Books und Vorlagen oder Dateien (z.B. CAD-Dateien, Add-Ons, etc.).
Der große Vorteil: Solche digitale Produkte lassen sich relativ einfach und kostengünstig erstellen, vervielfältigen und digital vertreiben, auch weit über den eigenen Unternehmens-Standort hinaus.
Ein Beispiel:
Eine kleine Firma, die im Anlagenbau tätig ist, bietet ihren Kunden Vor-Ort-Kurse zur Wartung und Pflege der Anlagen an. Diese Vor-Ort-Kurse sind jedoch für beide Seiten aufwendig und teuer.
Mögliche Lösung: Den Kurs einmal professionell aufnehmen und als Video-On-Deman-Kurs über die eigene Website oder eine Plattform anbieten. Der Kurs steht dann unbegrenzt vielen Kunden zur Verfügung, jederzeit und überall abrufbar. Das spart Zeit, Geld und steigert gleichzeitig die Kundenzufriedenheit.
Auch Subscription- oder Membership-Modelle sind eine spannende Möglichkeit, um Kunden regelmäßig Mehrwert zu bieten und wiederkehrende Umsätze zu generieren. Besonders im Dienstleistungs- und Softwarebereich bewährt – aber auch Unternehmen im Handel oder der Fertigung können damit kreativ werden.
Hier ein paar mögliche Ansätze:
- Abonnement-Boxen z. für Werkzeuge, Ersatzteile oder Sicherheitsausrüstung
- Maschinen-Vermietung auf Subscription-Basis (Equipment as a Service)
- Standortverfolgung & Sicherheitsanalyse als Service
Wichtig bei der Umsetzung von digitalen Produkten und Subscription-Modellen ist:
- Du musst nicht alles sofort perfekt machen. Fang klein an, teste deine Idee mit einem MVP (Minimum Viable Product) und entwickle dann weiter.
- Nutze Baukastensysteme oder bestehende Plattformen, statt alles selbst zu entwickeln.
- Technische Leistungen outsourcen oder über Kooperationen nutzen
2. Ein Wissensmanagement einsetzen
Wenn deine kenntnisreichsten Mitarbeiter morgen dein Unternehmen verlassen würden, was würdest du tun? Arbeitnehmer wechseln heutzutage häufiger Unternehmen als in vergangenen Dekaden und nehmen dabei auch ihr Wissen und ihren Erfahrungsschatz mit. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das nicht nur ineffizient, sondern auch ein Wettbewerbsnachteil.
Ein funktionierendes Wissensmanagement hilft, Know-how im Unternehmen zu halten. Es sorgt außerdem für eine schnellere, effizientere Einarbeitung neuer Kolleg:innen, denn es kann als eine Art Self-Service-Onboarding dienen. Sinn und Zweck eines Wissensmanagements ist die zentrale Speicherung und der Transfer von Wissen innerhalb des Unternehmens, wie interne Abläufe, Software-Tutorials oder Best Practices. Auch ein Hilfe-Center auf der Website fällt in diesen Bereich und kann das Kundenerlebnis deutlich verbessern, indem es Support-Anfragen reduziert und schnelle Antworten liefert (dazu in einem anderen Abschnitt mehr). Trotz all dieser Vorteile wird der Aufbau und die Pflege eines Wissensmanagements gerade in kleineren Unternehmen vernachlässigt.
Dabei muss Wissensmanagement nicht gleich ein riesiges IT-Projekt mit komplexen Softwarelösungen und hunderten Funktionen sein. Vielmehr zählen Struktur, Klarheit und der Wille, Wissen zu teilen. Das Wissen muss leicht auffindbar und aktuelle sein.
Starte am besten mit den kritischsten Prozessen und Fragen, die immer wieder auftauchen, etwa im Onboarding oder im Kundensupport.
Für die Erstellung eines Wissensmanagements stehen dir – je nach Anforderungen und Budget – folgende Optionen zur Verfügung:
DMS (Dokumentenmanagement-System): Diese Variante liegt nahe, wenn du bereits ein DMS in deinem Unternehmen einsetzt und kein Geld in zusätzliche Software investieren möchtest. DMS dienen als zentrales Ablagesystem für Dokumente, Bilder, E-Mails und sogar Audio- und Videodateien. Die Mitarbeiter können also ihr Wissen – wie z.B. Prozessbeschreibungen oder Best Practices – in Form von Dokumenten oder Videos im DMS ablegen und ihren Kollegen zur Verfügung stellen. DMS-Systeme verfügen auch über eine Suchfunktion, sodass Mitarbeiter Wissen leicht finden können.
Allerdings sei hierzu gesagt, dass dies eher einen Workaround darstellt und DMS-Systeme in erster Linie für die Digitalisierung und rechtssichere Archivierung von Geschäftsdokumenten gedacht sind.
Open Source Wiki: Wikimedia und Dokuwiki sind Open Source Programme, mit denen du kostenlos dein eigenes Firmen-Wiki erstellen kannst. Sie sind benutzerfreundlich, erweiterbar und bieten ausreichend Funktionen für ein Wissensmanagement. Aufgrund ihrer Open Source Struktur sind sie lizenzfrei und somit kostenlos, erfordern allerdings auch etwas IT-Know How für den Aufbau und die Pflege.
SaaS: Möchtest du mehr Funktionen für die Kollaboration (z.B. Kommentare, Likes, etc.) Rechteverwaltung, Datenanalyse und ein modernes Design, dann ist spezielle Wissensmanagement-SaaS die richtige Wahl für dich. Zendesk, Slite und Confluence sind nur einige Beispiele. Beachte jedoch, dass für diese Tools extra Lizenzkosten anfallen.
3. Remote Work Enablement
Das Ermöglichen von Remote Work ist ein weiterer potenzieller Quick Win, mit dem du durch Digitalisierung Prozesse optimieren, Kosten senken und dem Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken kannst.
Fakt ist: 75% der Arbeitnehmer wünschen sich ein hybrides Arbeitsmodell, im Schnitt mit 3 Homeoffice-Tagen pro Woche. Ganze 19% der Befragten würden am liebsten ausschließlich remote arbeiten. Das hat eine Erhebung des Future of Work Labs in Konstanz ergeben.
Und es geht noch weiter: Laut der TU Darmstadt wäre sogar jeder 4. Arbeitnehmer bereit zu kündigen, wenn keine Möglichkeit für mobile Arbeit angeboten wird. Besonders ausgeprägt ist das bei Beschäftigten unter 40.
Versuche, als Unternehmer oder Entscheider, diese Entwicklung positiv zu betrachten: Durch die Standortunabhängigkeit vergrößert sich dein Bewerberpool erheblich. Gerade KMU in ländlichen Regionen können hier massiv profitieren, weil sie plötzlich Talente gewinnen, die vorher gar nicht in Betracht gezogen hätten, umzuziehen.
Alle Vorteile von Homeoffice auf einen Blick:
- Kostensenkung
- Skalierbarkeit
- Zugang zu einem größeren Talentpool
- Höhere Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung
- Erhöhte Resilienz bei Ausfällen, Pandemien oder in Krisen
Und das Beste ist, dass du die technischen Voraussetzungen hierfür vermutlich schon geschaffen hast. Seit der Corona-Pandemie setzen Unternehmen vermehrt auf Tools, die virtuelle Meetings, File Sharing und Kollaboration möglich machen. Die Chancen stehen gut, dass du einige – wenn nicht sogar alle – dieser Tools bereits im Einsatz hast. Warum also nicht noch mehr daraus machen?
4. Self Service Portal für deine Kunden
Eine relativ einfache Möglichkeit, den internen Arbeitsaufwand zu verringern und gleichzeitig deinen Kunden Mehrwert sowie eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit zu bieten, ist das Einrichten eines Self Service-Portals auf deiner Website.
70-80 % der B2B-Entscheidungsträger bevorzugen digitale Selbstbedienung oder menschliche Interaktionen aus der Ferne.
Self-Service-Portale können vielfältige Formen annehmen und unterschiedliche Ziele verfolgen:
- Knowledgebase oder FAQ-Bereich
- 24/7 AI Chatbot
- B2B Self Service Portal (z.B. Kundenportal für Bestellungen und Transaktionen oder Verwalten von Daten und Dokumenten)
Wie setzt man Self Service Portale um?
Für viele dieser Formate benötigst du keine neue Software, große Budgets oder aufwendige Projekte. Vieles geht bereits mit den Tools, die du wahrscheinlich ohnehin schon einsetzt:
CRM- und CMS-Systeme
Viele moderne CRMs verfügen normalerweise über integrierte Chat- oder Supportfunktionen (z.B. Chatbots oder Ticketsysteme), die du auf deiner Website Seite einbetten kannst.
CMS (Contentmanagement-Systeme) und Website-Tools wie Hubspot oder WordPress bieten einfache Module für FAQs, Datenbanken für Hilfe-Artikel und Chatbots.
Speziallösungen
Je nach Anspruch (und dem, deiner Kunden) und Budget gibt es auch spezielle All-In-One Software, die CRM, File Sharing, Umsatzmanagement in einem Client Portal vereint.
Einige der bekanntesten Anbieter sind Taxdome für Dienstleister & Kanzleien, Clinked oder SuiteDash.
Allerdings hat eine so umfangreiche Funktionalität auch ihren Preis. Ähnlich wie bei den digitalen Produkten empfiehlt es sich erst einmal deine Idee von einem Client Portal mit einem MVP zu testen. So kannst du überprüfen, ob und wie das Self Service Portal überhaupt genutzt wird und dir Feedback von deinen Kunden holen, bevor du das Portal ausbaust und Geld in eine spezielle Software investierst.
Fazit
Wie du siehst, braucht es nicht immer ausführliche IT-Projekte und hohe Budgets, um Prozesse zu digitalisieren, effizienter zu gestalten oder das Kundenerlebnis zu verbessern. Manchmal ist der wichtigste Schritt einfach anzufangen. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell das möglich sein kann.
Prüfe dafür zunächst, welche Maßnahmen für dein Unternehmen – und deine Kunden – wirklich relevant sind und Mehrwert bringen. Nutze dafür zunächst die Tools, die du ohnehin schon im Einsatz hast und teste dein Konzept im Kleinen, mit einem MVP. Für erweiterte Anforderungen gibt es passende Speziallösungen, zu erschwinglichen Konditionen (z.B. kostenlose Tools mit Basisfunktionen) oder sogar als Open-Source-Lösung.
Quick Wins ersetzen keine Digitalstrategie. Aber sie sind ein wirkungsvoller Einstieg in größere Projekte, motivieren dein Team und fördern ein digitales Mindset in der Organisation.